Insgesamt 41 einzelne Scheiben hat Max Uhlig für sein finales Glasfenster an der Nordseite der Magdeburger Johanniskirche gestaltet. Sorgfältig wurde in den vergangenen Wochen Teil für Teil zusammengesetzt. Mehr als zwölf Meter Höhe misst das letzte von 14 Glaskunstwerken in dem weiten Kirchenschiff. In schwarz und weiß gestaltet, setzt das gotische Fenster diesen Herbst den Schlusspunkt für die gut 30 Jahre lange Rekonstruktion der St.-Johannis-Kirche.
Die Geschichte der ältesten Kaufmannskirche Magdeburgs steht sinnbildlich für den Wandel der Landeshauptstadt. Das 1.200 Jahre alte Magdeburg verändert sich, ist stetig in Bewegung. Nur so konnte aus der wiederholt stark zerstörten Kirche inmitten der Innenstadt ein modernes Veranstaltungszentrum entstehen. Heute finden hier Konzerte, Tagungen und Ausstellungen statt. Während in dem modernen Kirchenschiff applaudiert und konferiert wird, verstecken sich hinter gläsernen Wänden Seminarräume, eine Bar sowie Büros.
Bestimmt wird die gesamte Johanniskirche von ihren außergewöhnlichen Glasfenstern. Der berühmte Künstler Max Uhlig hat ein farbenprächtiges Kunstwerk geschaffen, welches den Interpretationen freien Lauf lässt. Die flammenförmigen Umrisse erinnern stark an ein Feuer – und damit an die bewegte Vergangenheit der Kirche.
Zurück ins 12. Jahrhundert: Bereits kurz nach ihrem Aufbau fiel die Johanniskirche wiederholt großen Stadtbränden zum Opfer. Nach einem mühevollen Wiederaufbau schlug 1451 der Blitz in den Nordturm ein. Ein knappes Jahrhundert später war die Kaufmannskirche bereit für eines ihrer wichtigsten Ereignisse: Der Reformator Martin Luther hielt hier 1524 seine bedeutende Predigt, in deren Zuge innerhalb von sechs Wochen alle Magdeburger Pfarrkirchen zum Protestantismus wechselten.
Die bereits dritte, vollkommene Zerstörung erlebte die Kirche im Dreißigjährigen Krieg. Tillys Truppen vernichteten Magdeburg 1631 fast vollständig. Auf dem Gelände der Johanniskirche errichteten die Magdeburger provisorisch eine hölzerne Kirche. Stück für Stück wurden Kirchenschiff und Türme neu errichtet. Es entstand das umfassendste Geläut der Stadt. In den Folgejahren wurde hier gebetet und geheiratet. Bis die französischen Truppen Magdeburg besetzten und die Kirche zum Pferdestall umfunktionierten.
Noch viel schlimmer kam es 1944 im Zweiten Weltkrieg. Während eines Luftangriffes der Alliierten erlitt die Johanniskirche fünf schwere Treffer. So war das Gebäude bereits schwer beschädigt, bevor am 16. Januar 1945 beim großen Luftangriff auf Magdeburg nur noch die Außenmauern, einzelne Pfeiler und Turmreste stehen blieben.
Lange Zeit zeichnete die Ruine das Stadtbild. Allein Aufräumarbeiten und Sicherungsarbeiten wurden anfangs realisiert. Doch gleich nach der Wende 1989 setzten sich die Magdeburger für den Wiederaufbau ein. Schnell gründete sich das Kuratorium für den Wiederaufbau der Johanniskirche. Bereits 1991 erfolgten erste Bauarbeiten und die Ruine wurde für Kulturveranstaltungen genutzt.
Am 2. Oktober 1999 konnte das Gebäude wiedereröffnet werden – und gehört seitdem zu den außergewöhnlichsten Eventlocations der Stadt. Denn: Die Magdeburger haben sich entschieden, dem Gotteshaus eine neue Funktion zu geben. Wo einst Gottesdienste gefeiert wurden, finden heute vor allem Konzerte und Tagungen statt. Und das inmitten großartiger Glaskunst. 2014 hatte Max Uhlig mit der Gestaltung der gotischen Fenster begonnen. Mit Fördermitteln und Spenden haben die Magdeburger das Großprojekt gestemmt. Sechs Jahre später ist das Werk auf einer Glasfläche von fast 400 Quadratmetern jetzt vollendet – und macht jeden Besuch in der Magdeburger St.-Johannis-Kirche zu einem unvergesslichen Erlebnis.