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Band 61 der Telemann-Ausgabe erschienen: Sechs späte Kirchenmusiken

Erstmals liegen mit Band 61 der Telemann-Ausgabe - hrsg. von Ralph-Jürgen Reipsch, Telemann-Zentrum Magdeburg - Beispiele für gottesdienstliche Musik aus Telemanns später Schaf­fens­phase, die vor allem durch die großen Konzert­oratorien geprägt scheint, ediert vor.

Cover: Band 61 der Telemann-Ausgabe
© Bärenreiterverlag 

Ausgewählt wurden sechs Kompo­sitionen Georg Philipp Telemanns aus den Jahren 1759 bis 1762 zu Himmelfahrt, dem 1. Ostertag, dem 1. Pfingst­tag und Michaelis, ergänzt durch die Ode „Die Begnadigung“, die 1762 am 19. Sonntag nach Trinitatis als Kirchenmusik nach der Predigt erklang. Darüber hinaus wurden Telemanns Melodie und der sechsstrophige Text 1766 in der Zeitschrift „Unterhaltungen“ abgedruckt.

Telemanns Alterswerk

Bei der Betrachtung von Georg Philipp Telemanns Alterswerk lag der Fokus lange Zeit auf den ab 1755 entstandenen vorwiegend geistlichen Kompositionen nach den modernen Dichtungen von Karl Wilhelm Ramler, Friedrich Wilhelm Zachariae, Friedrich Gottlieb Klopstock und Christian Wilhelm Alers, die meist von vornherein für die Verwendung im öffentlichen Konzert bestimmt waren.

Für diese kann eine sehr eng an der Dichtung orientierte Kompositionsweise konstatiert werden, die Elemente des um die Jahrhundertmitte vorherrschenden musikalischen Geschmackes mit dem typisch telemannischen Stil, der sich u.a. durch deutliche Deklamation, Affektausdeutung und Tonmalerei, kurzgliedrige Melodiebildungen, harmonische Beweglichkeit – teils unter Ausreizung der Grenzen des Harmonischen – und die breiteste Palette musikalischer Formen und Mittel auszeichnet, zur Symbiose führte.

In dieser letzten Schaffensphase, die von den Oratorien Der Tod Jesu TVWV 5:6 (1755) und Der Tag des Gerichts TVWV 6:8 (1762) zeitlich umschlossen wird, hat Telemann noch einmal einen eigenständigen, literarisch angeregten musika­lischen Ton ausgeprägt.

Quelle: Ralph-Jürgen Reipsch

Modernitätsschub in seiner Kirchenmusik

In jüngerer Zeit wurde deutlich, dass im Bereich der ordentlichen Kirchenmusik ein vergleichbarer Modernitätsschub zu verzeichnen ist. Exemplarisch dafür können die beiden Teile der Donner-Ode TVWV 6:3a/b nach Johann Andreas Cra­mers Psalmübertragungen gelten, die 1756 bzw. 1761 zunächst in den regulären Hamburger Gottesdiensten aufgeführt wurden und erst danach auch im Konzertsaal populär wurden, dies gilt aber auch für die hier vorgelegten Kirchenmusiken.

Es handelt sich um eine Auswahl von sechs verschiedengestaltigen Werken aus dem Zeitraum zwischen 1759 und 1762:

  •  „Er kam, lobsingt ihm, meine Lieder!“ TVWV 1:462, Himmelfahrt 1759 (Daniel Schiebeler);
  • „Komm, Geist des Herrn“ TVWV 1:999, 1. Pfingsttag 1759;
  • „Trauret, ihr Himmel“ TVWV 1:1414, 1. Ostertag 1760;
  • „Er neigte den Himmel“ TVWV 1:467, Himmelfahrt 1762 (Daniel Schiebeler);
  • „Kaum wag ich es, dir Richter mich zu nahen“ (Die Begnadigung) TVWV 1:992, 19. Sonntag nach Trinitatis 1762 (Johann Joachim Eschenburg);
  • „Dich rühmen die Welten“ TVWV 1:329, Michaelis 1762 (Johann Joachim Eschenburg)

Die Dichtungen von jeweils zwei der Kirchenmusiken stammen von den Hamburger Johanneumsschülern bzw. Studenten am Akademischen Gymnasium Daniel Schiebeler (1741–1771) und Johann Joachim Eschenburg (1743–1820), die auch später noch literarisch hervortreten sollten.

Schiebelers Autorschaft ist aufgrund gewisser formaler und stilistischer Gemeinsamkeiten und aufgrund der zeitlichen Nähe seines frühen dichterischen Wirkens in Hamburg auch für die Texte zu den übrigen Kompositionen (TVWV 1:999, TVWV 1:1414) zu vermuten, eindeutig zu belegen ist dies derzeit allerdings noch nicht.

Von einer Ausnahme abgesehen (TVWV 1:992) handelt es sich um Werke für hohe Festtage des Kirchenjahres, die eine entsprechend umfangreiche Besetzung zeigen. Zwei der Kirchenmusiken (TVWV 1:462 und 1:992) sind aufgrund der ihnen zugrundeliegenden modernen Odendichtungen und der ungewöhnlichen musikalischen Umsetzung besonders hervorzuheben.

Weitere Angaben zu den Werken, ihrer Überlieferung und zu editorischen Problemen sind im umfangreichen Vorwort und im Kritischen Bericht zu finden.

Quelle: Ralph-Jürgen Reipsch

Erschienen im Bärenreiter-Verlag

21.12.2023