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Die Gedenkstätte - Frühere Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit

 

Moritzplatz

In den Jahren 1873 bis 1876 wurde der im Norden Magdeburgs liegende rote Backsteinbau als königlich-preußisches Amtsgericht und Stadtgefängnis errichtet. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges ging das „Gefängnis Magdeburg-Neustadt“ für kurze Zeit in die Hände der Sowjetische Militäradministration über, stand aber bereits im September 1945 wieder unter deutscher Verwaltung. Während des Volksaufstandes am 17. Juni 1953 wurde das Gefängnis erstürmt; 221 Inhaftierte konnten befreit werden. Kurz nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) als Geheimdienst und Geheimpolizei gebildet. Das MfS sollte entsprechend der Richtlinie 1/58 des MfS „alle Versuche, den Sieg des Sozialismus aufzuhalten oder zu verhindern - mit welchen Mitteln und Methoden es auch sei -, vorbeugend und im Keime ersticken.“ 1957 übernahm das MfS dieses Gebäude als Untersuchungshaftanstalt der Bezirksverwaltung Magdeburg für politische Häftlinge.In den 50er und 60er Jahren wurden viele DDR-Bürger wegen angeblicher „Spionage“ oder „Staatsfeindlicher Hetze“ in politische Haft gebracht. Später erweiterten sich die Haftgründe auf Menschen, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen wollten oder versucht hatten, das Land per Flucht oder Ausreiseantrag zu verlassen. Sie wurden von der Staatssicherheit inhaftiert und unter Verletzung der Menschenrechte zu einem umfassenden Geständnis eines Staatsverbrechens gezwungen. Auf dieser Grundlage erfolgte die Verurteilung zu jahrelanger Haft in Strafvollzugsanstalten.

Im Herbst 1989 erzwangen die Demonstranten den Zusammenbruch des Staatssystems der DDR. Am 6. Dezember 1989 wurde auf Druck der neuen politischen Gruppierungen und der Kirchen die Gründung eines Bürgerkomitees zur Kontrolle und Beendigung der Aktivitäten der Stasi beschlossen mit dem Ziel, die Staatssicherheitsmitarbeiter an der Vernichtung von Akten und Beweismaterial zu hindern. Im Februar 1990 wurde die ehemalige MfS-Untersuchungshaftanstalt geräumt. „Stasi in Magdeburg“ hieß eine Ausstellung im Herbst 1990, die vom Bürgerkomitee Magdeburg und Memorial Magdeburg e.V. erstellt und sechs Wochen lang in den Zellen dieses Hauses gezeigt wurde. 23.000 Besucher erfuhren erste Erkenntnisse über das MfS und die Behandlung politischer Häftlinge. Es waren die Initiatoren und Besucher der Ausstellung, die forderten: „Dieser Ort muss Gedenkstätte werden“.

Im Dezember 1990 wurde durch Beschluss der Stadtverordneten die Gedenkstätte in einem Teilbereich des Hauses (früherer Zellentrakt) gegründet. Seit 1994 gehört sie zu den landeseigenen Gedenkstätten mit Förderung durch Land und Stadt. 1992 eröffnete das Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt e.V. in den Räumen des Vorderhauses (früheres Vernehmergebäude) ein Dokumentationszentrum. Der Aufgabenbereich der Gedenkstätte ist vielfältig. Die Beratung ehemaliger politischer Häftlinge und das Aufzeichnen ihrer Lebensberichte gehören ebenso dazu wie Führungen, Ausstellungen, Publikationen im Rahmen der politischen Bildung. Die Erinnerung an die Opfer dieser Diktatur soll wach gehalten und dem Vergessen entgegengewirkt werden. Die Mitarbeiter der Gedenkstätte wollen ein Mahnzeichen für die Bewahrung der Menschenrechte setzen und dem Bewusstsein Raum geben, für die Demokratie hohe Verantwortung zu tragen.

Dauerausstellung „Im Namen des Volkes? Über die Justiz im Staat der SED“

Am 21. Juni 2004 wurde diese Ausstellung vom Bundesministerium der Justiz an das Land Sachsen-Anhalt für die dauerhafte Präsentation in der Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg als Schenkung übergeben. Die Ausstellung wurde in den Jahren 1992 – 1993 von einem Beirat, einem Team von Wissenschaftlern und Ausstellungsfachleuten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz erarbeitet. Dabei konnte an Erfahrungen angeknüpft werden, die das Bundesministerium der Justiz mit der im Jahre 1989 eröffneten Ausstellung über die Justiz im Nationalsozialismus gewonnen hatte. Die als Wanderausstellung konzipierte Exposition wurde 1994 in dem Gebäude des Landgerichts Berlin in der Littenstraße erstmals gezeigt. Seitdem wurde sie über den Zeitraum von 10 Jahren in 33 Orten in ganz Deutschland präsentiert und hat nun ihren endgültigen Platz in Magdeburg gefunden. Die Ausstellung stellt eine Auswahl von Ereignissen und Strukturen vor und zeigt, wie die Justiz zur Durchsetzung der Ziele der SED missbraucht wurde. Die Rechtsprechung er DDR war Bestandteil einer zentralistischen Staats- und Gesellschaftsordnung, in der „die Herrschaft der Arbeiterklasse unter der Führung ihrer marxistisch-leninistischen Partei von Anfang an vorhanden und ab 1968 in der Verfassung verankert war. Die Trennung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung wurde als „Relikt bürgerlichen Denkens“ beseitigt. Die Justiz war Teil einer einheitlichen Staatsgewalt und damit ihrer Eigenständigkeit beraubt. Die Ausstellung besteht aus drei Teilen. Der erste Teil beschäftigt sich mit Ereignissen in der Zeit von 1945 bis 1971, der Ära von Walter Ulbricht.Im zweiten Teil informiert die Ausstellung über Strukturen der Justiz, ihre Steuerung durch Staat und Partei, ihre Funktion im Alltag sowie die Bedeutung weiterer Organe der sozialistischen Rechtspflege (Strafvollzug und Staatssicherheit). Im dritten Teil wird über Ereignisse der Ära Honecker und die Zeit bis zum Ende der DDR berichtet. Die Ausstellungstafeln werden durch weitere Ausstellungselemente ergänzt. Ein Multimedia-Terminal ermöglicht die Abrufung historischer Film- und Wochenschaumaterialien. Auch ein Katalog zur Ausstellung ist erhältlich.

1 Foto: Blick in die Ausstellung „Im Namen des Volkes? Über die Justiz im Staat der SED“, Foto: Gedenkstätte