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Heinz Gerling

Heinz Gerling (gest.19.05.2001)geb. 08. Oktober 1922 in Magdeburg

gest. 19. Mai 2001 in Magdeburg

Bauingenieur, Betriebsleiter, Denkmalpfleger

G. besuchte in seiner Heimatstadt von 1928 bis 1932 die 1. Wilhelmstädter Volksschule und von 1933 bis 1941 das Wilhelm-Raabe-Realgymnasium. Der Sohn des Architekten und Baumeisters Hermann G. (1886-1942) wurde nach dem Abitur zum Wehrdienst eingezogen, so dass er erst nach dem Krieg eine berufliche Ausbildung beginnen konnte. Er absolvierte eine Maurerlehre in der von seinem Vater 1923 mitbegründeten Firma „Gerling & Rausch“ und studierte ab 1947 an der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen in Magdeburg.
1949 schloss er das Studium als Ingenieur für Bauwesen ab. Bis 1953 arbeitete er als Hochbauingenieur in der väterlichen Firma „Gerling & Rausch OHG“, parallel erwarb er 1951 den Abschluss eines Maurermeisters.
Im gleichen Jahr heiratete er Inge Müller (geb. 1927) aus Langenweddingen.
1953 bis 1954 war G. als Fachingenieur für Industrieofenbau in der Firma VULKAN in Berlin tätig. Er kehrte nach Magdeburg zurück, leitete hier das Zweigbüro Magdeburg der Firma VULKAN Industrieofenbau Berlin, das sich im elterlichen Haus in der Wilhelm-Külz-Straße 5 befand. Eine Zeit lang hatte er einen eigenen Handwerksbetrieb, übernahm dann aber bald die Firma „Gerling & Rausch. Über die Jahre hinweg gelang es ihm, die Belegschaft zusammenzuhalten und zu motivieren, worauf er besonders stolz war. Durch eingreifende Maßnahmen des Staates gegenüber Privatbetrieben wurde G. Ende der 50er Jahre Komplementär der nun halbstaatlichen Firma „Gerling & Rausch KG“.
Als 1972 in der DDR die Betriebe mit staatlicher Beteiligung, private Industrie- und Baubetriebe sowie Produktionsgenossenschaften des Handwerks kurzerhand in Volkseigentum überführt wurden, ereilte dieses Schicksal auch die Firma „Gerling & Rausch“. In so genannten freiwilligen Abtretungen ihres Betriebsanteils konnten sich die bisherigen Komplementäre bereit erklären, nach der Verstaatlichung weiter als Betriebsleiter tätig zu sein. So wurde auch G. 1972 als Direktor des nunmehrigen Volkseigenen Betriebes (VEB) Industrieofen- und Feuerungsbau eingesetzt. Der Betrieb ging in das VE Bau- und Montagekombinat Magdeburg (BMK) ein. Hier übernahm G. 1982 die Leitung eines Produktionsbereiches im Kombinatsbetrieb Montage und Ausbau, bis er 1987 seine berufliche Tätigkeit beendete.

Die schwere Zerstörung seiner Heimatstadt während des Zweiten Weltkrieges, der Abriss von Kirchen in der Altstadt in den 1950er und 1960er Jahren sowie der Verfall zahlreicher wertvoller Bauwerke veranlassten ihn, sich aktiv für die Bewahrung des baulichen Erbes einzusetzen.
1964 war er Mitbegründer der Interessengemeinschaft (IG) Denkmalpflege im Kulturbund und übernahm 1977 deren Vorsitz. Es folgte die Berufung zum „Ehrenamtlichen staatlichen Beauftragten für Denkmalpflege der Stadt Magdeburg“. Seit 1968 entwickelte und erarbeitete G. eine Denkmalkartei für die Stadt Magdeburg, die die Grundlage für die Denkmalliste wurde, die er 1991 publizierte. Damals umfasste die Denkmalliste 195 Positionen, darunter mehrere Ensembles, wie die Siedlungen der 1920er Jahre. 1969 leitete G. den Bau der Hyparschale im Rotehornpark, die noch heute als Beispiel besonderer Ingenieurbaukunst gilt und selbst zum Denkmal geworden ist. Mit der Firma „Gerling & Rausch“ errichtete er auch das Fahnenmonument an der Elbuferpromenade und den Märchenbrunnen in Nord.

1970 wurde G. als parteiloser Abgeordneter des Kulturbundes in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Auch hier vertrat er viele Jahre und gegen so manche Widerstände die Interessen des Denkmalschutzes in Magdeburg. 1972 konstituierte sich unter seiner Leitung die Arbeitsgruppe „Kulturhistorische Bauten“ beim Rat der Stadt Magdeburg, die auch nach der Wende fortbestand. In unzähligen Zusammenkünften diskutierten die Mitglieder über erhaltenswerte Bauwerke und leiteten Maßnahmen zu deren Rettung ein. Die Arbeitsgruppe rief ferner eine Aktion zur Kennzeichnung von Denkmälern durch informative Tafeln ins Leben. Über Jahrzehnte bis zu seinem Lebensende hielt G. Fachvorträge, erarbeitete denkmalpflegerische Zielsetzungen sowie Fotodokumentationen, Presseartikel, veranstaltete Stadt- und Objektführungen für Fachleute und interessierte Kreise der Bevölkerung.

G. war Mitbegründer und bis 1999 Geschäftsführer der Magdeburgischen Gesellschaft von 1990 e.V. zur Förderung der Künste, Wissenschaften und Gewerbe. Außerdem  betätigte er sich als Mitglied der Dombaukommission, dem Kuratorium für den Wiederaufbau der Johanniskirche, im Baukunstbeirat der Landeshauptstadt Magdeburg, im Forum Innenstadtentwicklung, im Kuratorium „1200 Jahre Magdeburg“ sowie im Förderverein „Bundesgartenschau Magdeburg 1999“.

Die Liste des erfolgreichen aktiven Wirkens G.s ist lang. Er war maßgeblich am Wiederaufbau des Klosters Unser Lieben Frauen, an der Sanierung und Umgestaltung der Klosterkirche zur Konzerthalle, an den Sanierungen im Gründerzeitensemble im südlichen Stadtzentrum, der Reste der romanischen Stadtmauer, der Victoriaschule, der Lukasklause, am Wiederaufbau der Johanniskirche und der Aufstellung verschiedenster Denkmäler, Brunnen und Skulpturen beteiligt. Er gehörte nach 1990 auch zu den Mitinitiatoren der Sanierungsbemühungen „Wohnen im Denkmal“ von Wohnungsbaugenossenschaften und Privatinvestoren. Energisch setzte er sich für die Rettung des Kettendampfers „Gustav Zeuner“ ein, deren Restaurierung er nicht mehr erlebte.

G.s Wirken für den Denkmalschutz begrenzte sich keineswegs auf das Stadtgebiet Magdeburg. So engagierte er sich seit 1970 für den Ausbau des stillgelegten Bergwerks Büchenberg bei Elbingerode zum Schaubergwerk. Er half der Kirchengemeinde Pretzien, indem er vom VEB Industrieofen- und Feuerungsbau 1977 den Dachstuhl für den Anbau an die romanische Dorfkirche bauen ließ. 1991 wurde er in die Expertengruppe des Landes Sachsen-Anhalt zur Etablierung der „Straße der Romanik“ berufen, in die er seine Ideen erfolgreich einbringen konnte.

G.s Leidenschaft galt auch dem Glockenspiel. Er initiierte die Installierung des Glockenspiels im Magdeburger Rathausturm 1974 sowie der Glocken in der Marienkirche des Klosters Unser Lieben Frauen. Unter seiner Leitung trat 1975 der Arbeitskreis „Glockenspiel“ beim Rat der Stadt Magdeburg ins Leben. G. leitete auch den Arbeitskreis „Glockenspiel“ der DDR und war später Vorstandsmitglied der Deutschen Glockenspielvereinigung e.V. in Hannover.

1995 erhielt G. die „Silberne Halbkugel“, den deutschen Preis für Denkmalschutz. Anlässlich seines 75. Geburtstages verlieh ihm seine Vaterstadt das Ehrenbürgerrecht.

Aussage von Inge Gerling, Witwe von Heinz Gerling, Magdeburg, am 15.03.2012; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter (Hg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert; Drucksache DS1256/97 v. 09.06.1997; Branchenfernsprechbuch des Bezirkes Magdeburg 1954; http://www.magdeburg.de; Traditionsunternehmen prägt markante Sehenswürdigkeiten Magdeburgs. 80 Jahre Gerling & Rausch, in: IHK Magdeburg, Heft 2/2004; Gerling, Heinz: Denkmale der Stadt Magdeburg, Magdeburg 1991.

Maren Ballerstedt