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Johann Heinrich Daniel Zschokke

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Zschokke, Johann Heinrich Daniel, Dr. phil.

geb. 22. März 1771 in Magdeburg
gest. 27. Juni 1848 bei Aarau (Schweiz)

Schriftsteller, Politiker, Publizist

Z. gilt als meistgelesener und einflussreichster deutschsprachiger Autor des 19. Jahrhunderts. Er war Sohn eines Tuchmachermeisters, welcher 1779 starb. Die Mutter hatte Z. schon im Alter von sieben Wochen verloren. Er wuchs bei Verwandten auf, besuchte die Schule des Klosters Unser Lieben Frauen und zuletzt das Altstädtische Gymnasium. Bei dessen 1784 pensionierten Rektor Elias Caspar Reichard (1714-1791) fand der vielseitig interessierte Jugendliche häusliche Aufnahme. 1788 verließ Z. seine Vaterstadt, arbeitete bei einem Buchdrucker in Schwerin und schloss sich bald einer wandernden Theatertruppe an, für die er sich als Dichter betätigte. Ab 1790 studierte er Theologie und Philosophie in Frankfurt/ Oder und hörte dort auch juristische Vorlesungen. Er schrieb Gedichte und Theaterstücke. Unter dem Pseudonym Johannes von Magdeburg veröffentlichte er 1791 den 1. Band von „Schwärmerei und Traum, in Fragmenten und Dialogen“, der 2. Band folgte 1794. Er promovierte 1792, begab sich auf Reisen, hielt sich einige Monate in Magdeburg als Hilfsprediger an St. Katharinen auf, betätigte sich dann als Dozent in Frankfurt/ Oder. Im Mai 1795 verließ er diese Stadt und wanderte in die Schweiz. In Zürich begegnete er u. a. dem Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), der 1775 eine Erziehungsanstalt im Aargau gegründet hatte. Nach einer Paris-Reise 1796 kehrte Z. in die Schweiz zurück und erkundete sie auf ausgedehnten Wanderungen. Er lernte dabei den aus Bahrendorf bei Magdeburg stammenden greisen Johann Peter Nesemann (1724-1802) kennen, der seit 1793 das Philanthropinum Reichenau im Kanton Graubünden leitete. Die Erziehungsanstalt arbeitete nach modernen aufklärerischen Grundsätzen des Pädagogen Johann Bernhard Basedows (1724-1790), befand sich aber in einem kritischen Zustand. Z. wurde Leiter der Einrichtung, deren Schülerzahl sich innerhalb eines Jahres von 15 auf 70 erhöhte. 1798 erschien Z.s „Neues nützliches Schulbüchlein“. Z. fühlte sich in der Schweiz sehr wohl. Den Kanton Graubünden musste er allerdings 1798 verlassen, weil er dessen Anschluss an die nach der französischen Besetzung der Schweiz gegründete zentralisierte Helvetische Republik befürwortete. Bei einer Volksabstimmung hatten jedoch die Gegner des Anschlusses die Mehrheit erreicht. Am 9. August 1798 floh Z. nach Aarau im Kanton Aargau. Z. übte in der Folge verschiedene Ämter für die Helvetische Regierung aus. So war er während des Zeitraumes 1799 bis 1801 Regierungskommissar in den Kantonen Waldstätte, Tessin und Basel. Ab 1801 lebte er in Aarau bzw. zeitweise im Schloss Biberstein im Kanton Aargau. Die Regierung des Kantons Aargau ernannte den längst eingebürgerten Z. 1804 zum Oberforst- und Bergrat. Als solcher stellte er seine Fähigkeiten auch auf diesem Gebiet unter Beweis. Es gelang ihm eine nach damaligen Gesichtspunkten mustergültige Bewirtschaftung des Waldes im Kanton Aargau. Ein von ihm verfasstes zweibändiges Handbuch für Forstbeamte trug zur Verbreitung seines Rufes als forstkundiger Mann bei. 1805 heiratete Z. die Pfarrerstochter Nanny Nüsperli. Mit ihr hatte er zwölf Söhne und eine Tochter.

Z. engagierte sich neben seinen amtlichen Pflichten und schriftstellerischen Tätigkeiten stets für Bildung und Wohl des Volkes, für dessen patriotische Erziehung im Sinne des schweizerischen Bundesstaates sowie für die Unterstützung armer und gebrechlicher Menschen. So gab er 1798 und dann von 1804 bis 1832 das patriotische Volksblatt „Aufrichtiger und wohlerfahrener Schweizerbote“ (kurz: Schweizerbote) heraus. Er gehörte der Helvetischen Gesellschaft an, die den eidgenössischen Zusammenhalt und das Nationalgefühl pflegte. 1811 errichtete der bereits in seiner Frankfurter Zeit den Freimaurern beigetretene Z. in Aarau die Loge „Zur Brudertreue“. Im gleichen Jahr gründete er den „Verein für vaterländische Kultur im Aargau“. Aus ihm erwuchsen Hilfsgesellschaften, Sonntags- und Handwerkerschulen, die Taubstummenanstalt in Aarau und andere Einrichtungen.  Er selbst gründete die Sonntagsschule in Aarau mit und war Vorstand der Direktion der 1836 errichteten Taubstummenanstalt. Zwecks Wissensvermittlung gründete Z. 1820 auch den bürgerlichen Lehrverein, der bis 1830 bestand. Außerdem organisierte er Chöre und Männergesangvereine.

1815 wurde Z. in den Großen Rat (Parlament) des Kantons Aargau gewählt. Er brachte seine Ansichten 1830 in die neue Kantonsverfassung ein. Ab 1833 vertrat er den Kanton in der Tagsatzung, der Versammlung der Abgeordneten der Kantone. Zehn Jahre später zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus dem öffentlichen Leben zurück. 1842 verfasste er seine Autobiographie „Eine Selbstschau“, die er seiner Vaterstadt Magdeburg widmete. Er starb in seinem von ihm „Blumenhalde“ genannten Landhaus bei Aarau, in dem er mit seiner Familie seit 1818 lebte. Seit 2009 beherbergt das Gebäude das Zentrum für Demokratie Aarau. Im Stadtpark von Aarau erinnert ein Denkmal an Z., der neben seinem umfangreichen schriftstellerischen Werk eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu politischen, historischen, pädagogischen, naturwissenschaftlichen und anderen Themen hinterließ. Sehr populär waren u. a. seine Werke zur Schweizer Geschichte und zur Geschichte Bayerns. Seine „Ausgewählten historischen Schriften“ allein umfassen 16 Bände, seine „Ausgewählten Novellen und Dichtungen“ 17 Bände und seine „Gesammelten Volksschriften“ 35 Bände. Seine heute vergessenen „Stunden der Andacht“ genossen ein überaus großes Ansehen und der Titel des Werkes „Hans Dampf in allen Gassen“ ist in den allgemeinen sprichwörtlichen Sprachgebrauch eingegangen. Zschokkes Vaterstadt verlieh ihm 1830 das Ehrenbürgerrecht und würdigte damit nicht nur seine Leistungen als Schriftsteller und Staatsmann, sondern auch seinen Bürgersinn, sein Eintreten für Wahrheit und Recht. Einige Zeit später wurde der Magdeburger Zschokkeverein ins Leben gerufen.

Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 45, Leipzig 1900; Heinrich, Guido/Schandera, Gunter (Hg.): Magdeburger Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert, Magdeburg 2002; Ein Hochhaus weckt alte Erinnerungen. Heinrich Zschokke schrieb das Werk „Hans Dampf in allen Gassen“, in: Der Neue Weg v. 20./21.04.1963; http://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Zschokke;  Magdeburgische Zeitung v. 04.07.1848, v. 09.07.1848; Stadtarchiv Magdeburg, Rep. A II B 27 spec. 5 Bd.1.
                                                                                                                                              Maren Ballerstedt